Nachgefragt: Katja de Bragança

Hurraki Nachgefragt
Katja de Bragança antwortet.

Frau de Bragança,
Was ist Ihr erster Gedanke, wenn Sie die Begriffe
„Leichte Sprache“ und „Einfache Sprache hören?“

Antwort von Frau de Bragança:

Wenn ich das Wort „Einfache Sprache“ höre, denke ich als erstes:
Schon wieder so ein komisches Wort!
Schon wieder ein angeblich behindertengerechter Begriff.
Ich denke dann auch:
„Eingekinderte“ Bücher für erwachsene Personen.

Ist der Name nur Fachleuten bekannt und vertraut?

Kann sein.

Wie ist Ihre Haltung der Idee Leichte Sprache gegenüber?

1. Sprache ist schön.
Gedichte und Texte sollen so bleiben,
wie sie geschrieben worden sind.
Gibt es jemand, der sich für den Text interessiert?
Ist der Text zu kompliziert?
Verstehen Sie das Gedicht nicht?
Fragen Sie!
Sprechen Sie mit jemanden über das Gedicht.
Zwei Leute verstehen mehr als einer.
Aber das braucht Zeit.
Und die Zeit sollten Sie sich nehmen.
Das lohnt sich.

2) Es gibt offizielle Informationen.
Die sollten so geschrieben sein,
dass jede Person sie verstehen kann.
Kurze Sätze, wenn es geht.
Keine schweren Wörter.
Keine komplizierten Wörter.
Keine komplizierten Bilder.
Komplizierte Wörter sollten erklärt werden.
Das hilft allen.
Da freut sich jeder Mensch.
Man fühlt sich schlecht,
wenn man etwas nicht versteht.

Freiheit heißt:
Ich verstehe alles.
Freiheit heißt:
Ich kann entscheiden
(weil ich verstanden habe, um was es geht).

 

Welche Erfahrungen haben Sie persönlich mit Leichter Sprache gemacht?

Leichte Sprache und Down-Syndrom?
Ist es nicht zu „leicht“ für Menschen mit DS?
Oder das Gegenteil ist der Fall …?
Das Ohrenkuss-Team schreibt viele Texte.
Das Team schreibt seit 15 Jahren.
Viele schreiben nicht in einfacher Sprache.
Woran liegt das?
Es liegt daran, dass sie Dichterinnen und Schriftstellerinnen sind.
Es liegt daran, dass sie Dichter und Schriftsteller sind.
Es liegt daran, dass sie Reporterinnen sind.
Es liegt daran, dass sie Reporter sind.
Dann hat man viel gearbeitet und
etwas Kompliziertes besser verstanden.
Dann ist ja klar, dass der Text nicht immer einfach wird.

Menschen mit Down-Syndrom sind klug.
Wie alle anderen Menschen.
Manche sind klüger als andere.
Wie bei allen Menschen.
Menschen mit Down-Syndrom interessieren sich für die Welt.
Sie wollen viele Dinge wissen.
Sie wollen sie verstehen.
Wie andere Menschen auch.
Menschen mit Down-Syndrom haben ein Problem:
Andere Leute denken, dass sie doof im Kopf sind.
Und dass sie deshalb nichts lernen müssen.
Und dass sie deshalb nichts lernen wollen.
Das stimmt nicht.
Menschen mit Down-Syndrom haben noch ein Problem:
Weil man sie für zu blöd hält,
spricht man nicht über interessante Dinge mit ihnen.

Menschen mit Down-Syndrom sind
ihr ganzes Leben lang intellektuell unterfordert.
Sie brauchen natürlich z.B. Bücher und Zeitungen und Filme,
die sie verstehen können.
Aber: wer braucht das denn nicht?!
Aber noch wichtiger: Sie brauchen Menschen,
die sich dafür interessieren mit ihnen
die spannenden Dinge auf unserer Welt zu entdecken.
Denn beide Seiten lernen dabei,
denn beide schauen anders auf die Welt.
Sprecht miteinander.
Fragt nach und erklärt die Welt!
Erklärt, wie die Welt funktioniert.
Fragt: Wie geht das eigentlich?
Erkläre es mir.
Übersetze es mir.
Und dann sage ich Dir, wie ich es sehe!
Seid neugierig aufeinander.
Entdeckt die Welt zusammen.

Und das ist übrigens der Ohrenkuss:
Wir teilen mit unseren LeserInnen
unsere gemeinsamen Entdeckungen.
Ohrenkuss:
Das muss die Welt lesen,
dann sehen sie eine Farbe mehr.
Die Ohrenkuss-Farbe.
Dann hören sie mehr Musik.
Die Ohrenkuss-Musik.
Dann sehen sie die Welt anders.
Mit einer unerwarteten Dimension mehr.
Mindestens.
Das zu teilen, das ist übrigens Inklusion.
Alle machen was zusammen.

Vielen Dank für das Gespräch

Zur Person:
Dr. Katja de Bragança ist Herausgeberin und
Chef-redakteurin von einem Magazin.
Das Magazin heißt: „Ohrenkuss“.
Das Magazin hat diesen Monat den 15 Geburtstag gehabt.
Katja de Bragança hat für ihre Arbeit
das Bundes-verdienst-kreuz bekommen.
Zusammen mit Bärbel Peschka macht sie auch
downtown – Werkstatt für Kultur und Wissenschaft

Hier geht es zur Internetseite von Ohrenkuss:
www.ohrenkuss.de

Ohrenkuss bei Facebook:
www.facebook.com/Ohrenkuss

Hier geht es zur Internetseite von downtown:
www.downtown-werkstatt.de

Wer das Ohrenkuss Magazin kaufen möchte,
kann hier nachschauen:
http://ohrenkuss.de/products-page/abo/

Die Aktion:
Hurraki hat verschiedene Personen gefragt.
Jede Woche antwortet eine andere Person.
Die Aktion heißt: Nachgefragt